Sarah Wiener erzählt im Interview, was echter Bio-Anbau ist, inwiefern Veganer:innen irren und wieso Kinder Essen selbst zubereiten sollten.
Sarah Wiener: Zwischen Bio und Bio liegt nochmal ein Kilometer. Es gibt die Anbauverbände wie Naturland und es gibt EU-Bio. Deshalb spreche ich lieber vom ökologischen Landbau oder einem ökologischen Landwirtschaftssystem, in dem Bio-Anbau betrieben wird. Wichtig ist, dass die Vielfalt der Ökosysteme, ob in unserem Darm oder unter dem Boden, geschützt und gestärkt werden.
Sarah Wiener: Mein Ziel ist, dass wir vielfältig, mit alten Sorten, alten Rassen, schmackhaftem Gemüse, Obst, Kräutern, Pilzen und Samen versorgt werden. Dass wir gleichzeitig die Natur schützen, und unvergiftete Lebensmittel haben. Wir sollten die Wahl haben, ob wir hochverarbeitete, mit Zusatzstoffen aufgepimpte Lebensmittel essen wollen - oder das köstliche Ursprungsprodukt.
Sarah Wiener: Also einfach gesagt möchte die Stiftung allen Kindern Kochen beibringen. Das fängt an im Kindergarten und in Schulen, also dort, wo alle Kinder erreichbar sind, nicht nur eine Elite. Wir bilden Pädagogen weiter, um mit Kindergruppen zu kochen. Wir sind in Deutschland die größte Ernährungsinitiative und haben in den letzten sechs Jahren mit unserem Partner, der Barmer Krankenversicherung, über 1,2 Millionen Kindern zwischen drei und zehn Jahren das Kochen beigebracht.
Sarah Wiener: Kinder legen ein Geschmacksgedächtnis an. Deshalb ist es wichtig, ihnen zu ermöglichen, nachhaltiges, köstliches, frisches und unvergiftetes Essen möglichst früh und in all seiner Vielfalt kennenlernen. Es gibt nichts Besseres, als mit den eigenen Sinnen, mit den eigenen Händen ein Werk zu schaffen und es dann auch noch verputzen zu dürfen. Zum einen macht das Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Man hat Wertschätzung sich selbst gegenüber und man kann sich ausdrücken und kreativ sein. Aber es fördert auch Sekundärtugenden wie Rechnen, Lesen und vor allem soziale Fähigkeiten. Kochen heißt nicht nur Nahrungsaufnahme, sondern ist die erste Säule unserer Existenz, unserer Identität und hat sehr viel mit Kultur zu tun: Wer wir sind und wer wir sein wollen.
Sarah Wiener: Der Schritt in die Politik war eine logische Folge meiner Aktivitäten in Sachen Ernährung in den letzten 40 Jahren. Ich habe als Köchin mit dem letzten Schritt angefangen, nämlich vom Schneidebrett in die Pfanne und mich zunehmend gefragt, was eigentlich Ernährungsqualität ist. Dann bin ich die ganze Kette zurückgegangen: vom Anbau über die Lagerung und das Angebot, über die Regionalität bis hin zum Boden, zu den Anbaumethoden und bis zu den Samen und zur Bodenqualität. Das, was ich jetzt im Europaparlament mache, unterscheidet sich nicht wesentlich von dem, was ich schon vor 20 Jahren gesagt habe: dass wir stabile, resiliente, vielfältige Netzwerke – Öko-Netzwerke – brauchen, weil die uns krisenfest machen. Ich finde, es ist an der Zeit und tut Not, dem Gesetz der Natur zu folgen und nicht immer nur der Gewinnmaximierung. Die Einseitigkeit von wenigen monopolistischen Großunternehmern schafft unsere Vielfalt in der Ernährung ab und damit unser Weltenerbe die Samen, die Rassen, die Sorten – und macht gleichzeitig eine lebenswerte Zukunft unmöglich – für unsere Kinder und Enkelkinder. Deswegen bin ich im Europaparlament.
Sarah Wiener: Um bessere Tier-Bedingungen zu schaffen, muss ich mich mit dem Tier auseinandersetzen. Das Tier zu ignorieren, indem man sagt „ich esse es ja nicht, ich nutze es ja nicht.“ Das ist zu kurz gedacht! Wir sollten den Mitgeschöpfen helfen, ein wesensgemäßes Leben zu leben, statt zu sagen, ich ignoriere meine Beziehung zum Tier. Ich möchte kein Tier essen, das kein gutes Leben geführt hat! Weil ich dieses Leid mitesse. Ich möchte aber auch kein Tier halten oder sein Leid dadurch befördern, indem ich sein Fleisch viel zu billig kaufe. Ich glaube, wir haben alle eine Verantwortung dieser Welt gegenüber. Für mich gilt auf jeden Fall: ich möchte gern mit der Natur verbunden bleiben und auf dieser Erde sicher stehen als jetzt Surrogate, In-vitro-Fleisch oder 3D-Drucker Speisen zu essen.
Sarah Wiener: Ich wünsche mir, dass die Ideen der ökologischen Bäuerinnen und Bauern sich wie ein positiver Virus um die ganze Welt verbreiten. Und uns zu besseren, vielfältigeren, genießerischen Esserinnen und Essern machen. Dass wir alle davon profitieren, wenn wir mit der Natur wieder in den Gleichklang kommen – mit einer zukunftsfähigen Landwirtschaft und köstlicher Ernährung.
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