Einkaufen und Politik machen

Ein Gespräch mit Journalistin und Moderatorin Anna Schunck über das „Alles-immer-und-noch-mehr-Zeitalter“, warum einkaufen politisch ist und es voll in Ordnung ist, nicht perfekt zu sein.

Februar | 2021
Bildrechte: © Marcus Werner, Sarah Chahrrour
Was hat dich motiviert Viertel \ Vor zu gründen? Gab es ein konkretes Schlüsselerlebnis?

Anna: Das Online Magazin Viertel \ Vor habe ich vor etwa sechs Jahren gemeinsam mit Marcus Werner gegründet. Damals hatten wir das Gefühl unsere Arbeitskraft und Energie für die falsche Sache einzusetzen, für konventionelle Brands und einen Konsum geprägten Lifestyle, für das übliche „höher, schneller, weiter“. Wir wollten mit unserer Arbeit als Journalistin beziehungsweise als Regisseur und Fotograf aber lieber einen Beitrag zum „achtsamer, bewusster, nachhaltiger“ leisten.

Dass das wirklich gehen könnte, wurde uns in einem Schlüsselmoment klar, an den wir uns bei unserer Arbeit noch oft erinnern: Wir sind gemeinsam durch Berlin gefahren und die ganze Stadt war voll mit Plakaten eines Kosmetikherstellers, die ein ganz simples schwarzes T-Shirt bewarben. Diese Kampagne hat einen riesen Hype ausgelöst, auch auf Social Media. Da haben wir uns gedacht: Wenn man so einen Wirbel um ein einfaches Basic-Teil machen kann, das jede:r längst im Schrank hängen hat, dann schaffen wir das auch mit Produkten oder Innovationen, die einen Mehrwert schaffen. Bei Viertel \ Vor stellen wir die Menschen dahinter vor – wir wollen sie auf den gelernten Wegen und Kanälen zu neuen, besseren Vorbildern machen. Außerdem wollten wir anfangs zeigen: Nachhaltigkeit ist cool! Das war 2015 lustiger weise noch ein relativ neuer Gedanke.

Anna Schunck und Marcus Werner – Gründer des Online Magazin Viertel \ Vor
Anna Schunck und Marcus Werner – Gründer des Online Magazin Viertel \ Vor
Du beschäftigst dich ja von Berufswegen her viel mit Nachhaltigkeit. Was machst du konkret, um deinen Alltag grüner zu gestalten?

Anna: Ich bin neugierig, informiere mich und schärfe mein Bewusstsein – auch privat. Aktuell wird medial ja häufig nach dem einen Geheimrezept für einen nachhaltigen Lebensstil gesucht. Das finde ich ähnlich schwierig, wie früher Artikel über die Suche nach der perfekten Diät. Ich bin davon überzeugt, dass wir in Sachen Nachhaltigkeit viel weiterkommen, wenn wir erstmal lernen, auf uns selbst zu hören. Auf unsere Intuition, unsere Natur. Dann können wir ganz unaufgeregt und direkt unseren eigenen Weg gehen.

Was ist denn deine größte Motivation, um nachhaltig zu handeln?

Anna: Anfangs war der größte Trigger für mich mein Wissensdurst. 2015 hat mir einfach Transparenz gefehlt. Ich wollte einen tieferen Blick hinter die große bunte Werbewand werfen und noch mehr Menschen hinter nachhaltigen Produkten, Technologien und Forschungsergebnissen kennenlernen. Durch Viertel \ Vor und alle Projekte, die daraus entstanden sind, wird mir unter anderem immer wieder bewusst, wie wenig Verbraucher:innen wissen und wie leicht wir uns zum Beispiel bei der Lebensmittelwahl durch ungeschütztes Wording wie „natürlich“ oder „von hier“ an der Nase herumführen lassen.

Inzwischen ist meine Motivation viel politischer geworden: Als ich anfing mich mehr mit Nachhaltigkeitsthemen auseinander zu setzen, dachte ich, dass der Hebel, den wir allein mit unserem Konsumverhalten umlegen können, größer sei. Inzwischen weiß ich, dass es nicht nur das Engagement eines jeden Einzelnen braucht, sondern vor allem politisch-systemische Veränderungen. Und dass wir diese dann auch mehr von den Politiker:innen fordern sollten, anstatt dass diese die Veränderung weiterhin alleine von uns erwarten.

Das politische Statement beim Einkauf von bio und fairen Lebensmittel ist Anna wichtig.
Das politische Statement beim Einkauf von bio und fairen Lebensmittel ist Anna wichtig.
Im Naturland Blog geht es ja um den Zusammenhang zwischen ökologischer Landwirtschaft, bewusster Ernährung und einem nachhaltigen Lebensstil. Was bedeutet Nachhaltigkeit für dich bei Lebensmitteln und Ernährung?

Anna: Nachhaltigkeit spielt gerade in diesem Bereich eine super wichtige Rolle. Ich selbst achte beim Einkauf auf bio und fair. Am allerwichtigsten ist mir dabei das politische Statement – für eine Agrarwende, für den ökologischen Landbau und für faire Handelspartnerschaften. Er ist sicher nicht der einzige, aber unser Kassenbon ist durchaus auch ein Stimmzettel: für ein „Weiter so“ oder eben für eine zukunftsfähige Land- und Lebensmittelwirtschaft. Und wo wir’s vorhin vom „auf sich selbst hören hatten“: Natürlich bin ich auch überzeugt davon, dass mir vernünftig und vor allem natürlich angebaute Lebensmitteln guttun.