Bio-Kontrollen sind gründlich und unabhängig!

Kontrolleur Johannes Kratzer erklärt, wie durch regelmäßige Bio-Kontrollen Vertrauen für Naturland- und andere Bio-Siegel geschaffen wird.

Februar | 2023
Bildrechte: © Christian Kaufmann

Wenn Verbraucher:innen zu Bio-Lebensmitteln greifen, erwarten Sie eine hohe Qualität und bestimmte Bedingungen, unter denen angebaut, gefüttert, gedüngt oder verarbeitet wurde. Ein Bio-Siegel wie das Naturland Siegel garantiert Verbaucher:innen Qualität und soll Vertrauen vermitteln. Doch nicht der Verband selbst sorgt für die Einhaltung seiner Richtlinien, sondern eine unabhängige Instanz wie die Bio-Kontrollstelle ÖkoP Zertifizierungs GmbH. Ökop-Kontrolleur Johannes Kratzer über seinen Berufsalltag, Kontroll-Intervalle und was passiert, wenn Unregelmäßigkeiten auftreten.

Kritische Stimmen behaupten, dass Verbraucher bei Bio-Produkten immer wieder getäuscht werden…

Johannes Kratzer: … Kritik am Bio-Landbau gab es schon immer und wird es auch weiterhin geben. Eine Berichterstattung – ob positiv oder negativ – ändert nichts an der Gründlichkeit oder der Frequenz einer Bio-Kontrolle. Um Zweifel an der ökologischen Landwirtschaft vorzubeugen, müsste Bio den Verbraucher:innen mehr erklärt werden.

Deshalb wollen wir mit Ihnen über Bio-Kontrolle sprechen. Sie ist ein wichtiges Instrument, um Öko-Standards zu garantieren. Welche Rolle kommt Ihnen und Ihren Kolleg:innen dabei zu?

Johannes Kratzer: Unsere Aufgabe ist es, Fakten aufzunehmen. Dazu gehören buchhalterische Belege wie solche für den Futtermitteleinkauf genauso wie Bestandsaufnahmen auf dem Acker, im Stall oder im Gartenanbau. Der Umfang ist dabei je nach Betriebsgröße und -organisation sehr unterschiedlich aufwändig.

Johannes Kratzer kontrolliert die Unterlagen auf einem Naturland-Betrieb
Johannes Kratzer kontrolliert die Unterlagen auf einem Naturland-Betrieb
Inwiefern unterscheiden sich die Bio-Kontrollen?

Johannes Kratzer: Eine Bio-Imkerei mit wenigen Stöcken ist recht schlank organisiert – wenn ich den Betrieb schon mehrere Jahre abfahre, dauert eine Kontrolle etwa zwei Stunden. Ein vielseitiger Bio-Betrieb mit Ackerland, Tierbestand und vielleicht auch eigenem Hofladen muss viel umfassender kontrolliert werden. Da bin ich schon einmal zwei ganze Tage vor Ort. Außerdem führen wir Risiko-orientierte Kontrollen durch. Das bedeutet: Je mehr Auswirkungen ein Missstand auf den Markt haben könnte, desto mehr Stichproben werden genommen.

Beraten Sie die Betriebe auch hin zu einer besseren Bewirtschaftung?

Johannes Kratzer: Nein, das ist ganz wichtig: Als Kontrolleur berate ich nicht – ich erkläre aber sehr ausführlich die Kontrollen und Dokumentation, so dass ein Betrieb weiß, worauf geachtet werden muss. Für die Beratung sind etwa bei Naturland eigene Berater:innen zuständig. Auch die Auswertung der gesammelten Fakten sowie die Zertifizierung – oder im schlimmsten Fall eine Aberkennung des Siegels – geht dann vom Verband aus, an den wir die Informationen weitergeben.

Bio-Betriebe werden mindestens einmal pro Jahr kontrolliert, wie hier der Naturland Betrieb Widmann aus Bayern.
Bio-Betriebe werden mindestens einmal pro Jahr kontrolliert, wie hier der Naturland Betrieb Widmann aus Bayern.
Wie oft kontrollieren Sie einen Bio-Betrieb und wie hat sich die Kontrolle in der Pandemie verändert?

Johannes Kratzer: Der Zeitraum zwischen zwei Kontrollen auf einem Bio-Betrieb liegt bei neun bis 18 Monaten. Ich kontrolliere 180 Betriebe im Jahr, in meinem Fall überwiegend Imkereien. Das war auch während den Kontaktbeschränkungen der Fall, da lief dann vieles erstmals digital. Jetzt arbeiten wir gerade daran, dass Betriebe Dokumente schon vor der Kontrolle in einem Portal hochladen können. Das spart Zeit bei der Bio-Kontrolle. Die Digitalisierung ersetzt aber natürlich nicht die Kontrolle vor Ort.

Und was passiert, wenn Unterlagen fehlen oder Abweichungen festgestellt werden?

Johannes Kratzer: Dann werden Fristen gesetzt, zu denen Belege nachgereicht werden können – in der Regel 14 Tage – oder Zweitkontrollen durchgeführt werden. Werden Richtlinien nicht eingehalten, mahnen wir ab. Nach mehreren Abmahnungen melden wir diese Fälle den Behörden.

Die Richtlinien von den Verbänden ändern sich im Laufe der Zeit und werden erweitert. Wie bilden Sie sich fort, um den Überblick über alle Verbandsrichtlinien zu behalten?

Johannes Kratzer: Zum einen gibt es jedes Jahr eine Ökop-Schulung, bei der wir über Neuerungen bei Ökop selbst informiert werden. Bei dieser bildet jeder Verband jeweils einen halben Tag fort. Dabei findet ein intensiver Austausch statt. Darauf folgen regelmäßige Newsletter und Infomaterial der Verbände. Zum anderen stellt uns Ökop ein Portal zur Verfügung, in dem jegliche Richtlinien hinterlegt sind und alle auf einen Betrieb zutreffenden Regelungen aufgeführt sind. Denn nicht nur Verbände haben individuelle Richtlinien und Schwerpunkte – im Fall von Naturland ja die Bereiche Fair und Sozial – auch einzelne Abnehmer wie Molkereien oder Getreidemühlen.

Wer kann Kontrolleur:in werden?

Johannes Kratzer: Einen klassischen Werdegang für das Berufsbild gibt es nicht. Viele haben einen landwirtschaftlichen Hintergrund, aber keinen eigenen Hof. Dann ist das Kontrollwesen ein sicherer Arbeitgeber, in dem die Expertise gut eingebracht werden kann. Manche kommen auch direkt vom Studium. Alle durchlaufen eine Zulassung und eine intensive Einarbeitungszeit mit bereits zugelassenen Kontrolleur:innen. Die ersten eigenen Kontrollen werden bewertet und schließlich erfolgt eine Zulassung durch den Bio-Dachverband BÖLW (Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft) für einzelne Bereiche. Jeder von uns hat Expertise in einem Spezialgebiet – in meinem Fall die Imkerei.

Wer bezahlt die Bio-Kontrollen?

Johannes Kratzer: Die Kontrollkosten zahlt immer der Bio-Betrieb.


Wir halten also fest, dass die Bio-Kontrollen regelmäßig und unabhängig erfolgen. Die Ausarbeitung und Bereitstellung der Richtlinien liegt bei den Verbänden oder anderen Institutionen. Kontrolle und Bewertung werden also nicht von ein und derselben Person durchgeführt. Dieser doppelte Boden schafft Vertrauen am Markt und fördert in der Zusammenarbeit eine stetige Weiterentwicklung.