Lange gab es für schwarzen Holunder wenig Nachfrage. Dass er heute die Grundlage für ein Kultgetränk ist und für den Aufschwung einer ganzen Region gesorgt hat, ist einem Naturland Pionier aus der Rhön zu verdanken.
Ausgerüstet mit Rosenschere und Eimer laufen Martin Ritter und seine Helfer von Baum zu Baum und ernten den Holunder. Es ist nicht irgendein Feld, sondern die erste Holunderpflanzung in der Rhön. Als der Naturland Biobauer 2006 beschloss, Holunder anzubauen, hielten ihn alle in der Gegend für verrückt. Holunder? In der Rhön? „Das war schon eine wilde Idee, denn es gab hier ja gar keine Obstbäume“ meint Ritter lachend.
Auf den Gedanken, es trotzdem einfach zu versuchen, kam Martin Ritter gemeinsam mit Peter Kowalskys, Mitbegründer von Bionade, damals noch in Familienbesitz. Beide wohnen in Ostheim und kannten sich schon länger. „Wir sagten uns ‚Du machst Bio, ich mach Bio, lass uns doch was zusammen machen‘.“ Weil Bionade Schwierigkeiten hatte, genügend Früchte für sein Holundergetränk zu bekommen, entschieden sich die beiden dafür und brachen gleich hinter Ritters Hof einen Hektar Land um.
„Es war gar nicht so einfach, Setzlinge zu bekommen, denn Holunder war nicht en vogue. Kurz vor Weihnachten hörten wir dann von einer Baumschule, die ihre Bäume roden wollte, weil keiner die haben wollte. Wir schlugen kurz entschlossen zu und verbrachten dann den 1. und 2. Weihnachtsfeiertag mit dem Einpflanzen“, erinnert sich Ritter.
Allen Unkenrufen zum Trotz gedieh der Holunder prächtig. Dass liegt auch daran, dass Ritter Gänse, Enten und Puten hat. Vor allem der Putenmist ist ein ausgezeichneter Dünger. Darin sind alle Nährstoffe enthalten, die dieser Baum braucht: Kalk, Stickstoff, Phosphat, Kali und verschiedene Mikronährstoffe. „Dazu kommt das Stroh. Daraus entsteht eine Humusschicht, die Wasser speichern und langsam wieder abgeben kann.“
Der Holunder wurde zu einem vollen Erfolg. Bionade mit Holunder ist bis heute das beliebteste Getränk der Marke, und die elf Tonnen, die Ritter auf seinem ersten Feld erntet, reichten bald nicht mehr aus, um den Bedarf zu decken. Auch nicht, als Ritter seine Holunderfläche auf acht Hektar aufgestockte. Deshalb entstand die Initiative Bio-Landbau Rhön: Landwirt:innen und Bionade schließen langfristige Verträge. Das garantiert ihnen, dass sie ihre Ernte vollständig verkaufen können und dem Abfüller aus regionaler Produktion sichert es den Nachschub. Die Transportwege vom Feld in die Verarbeitung sind kurz, das spart klimaschädliches CO2. Die regionale Wirtschaft wird gestärkt und die Abwanderung aus der eher strukturschwachen Rhön ist weniger geworden. Und weil die Nachfrage nach ökologisch produziertem Holunder so groß ist, steigen immer mehr Bäuerinnen und Bauern auf Bioanbau um.
Heute ist die Rhön eines der wichtigsten Anbaugebiete für Holunder in Deutschland. Wer dieser Tage Setzlinge braucht, muss nicht mehr tagelang in der Region herumtelefonieren, sondern kann sie einfach bei Ritter auf dem Hof kaufen und bekommt dann gleich vom Mitbegründer des Holunderbooms Tipps für den Rückschnitt. Ob ihn der Erfolg überrascht hat? „Nein“, schüttelt Martin Ritter den Kopf. „Ich wusste, das funktioniert.“
Naturland zertifiziert seit 2001
Inhaber: Martin Ritter
Höhenlage: 280 m über N.N.
Durchschnittliche Niederschläge: 600 bis 700 mm
Betriebsfläche: 79 Hektar
Vermarktung: Heulimonade: Direktvermarktung; Holunder: Bionade; Geflügel: lokale Schlachterei
Arbeitskräfte: Familienbetrieb mit vier Familienmitgliedern und einer Angestellten
Griechen, Römer und Germanen glaubten gleichermaßen, dass im Holunder gute Geister leben. Deshalb war es Sitte, in der Nähe des Hauses einen Holunderbusch zu pflanzen.
In Norddeutschland wird Holunder oft auch als „Fliederbeerbusch“ bezeichnet, in der Pfalz, Altbayern und Österreich nennt man ihn „Holler“ und in der Schweiz „Holder“.
Holunder macht Arbeit, denn er muss jedes Jahr stark zurückgeschnitten werden. Versäumt man das, schießt er in die Höhe und trägt nur an der schwer zu erreichenden Spitze Früchte.
Obwohl sich Geflügel und Holunder ausgezeichnet ergänzen, ist es keine gute Idee, Hühner oder Gänse auf das Feld zu lassen, denn sie fressen die Rinde vom Stamm. Das verzeiht der Holunder nicht.