Superfood Algen: Von der Küste auf den Teller
An der galizischen Atlantikküste sammelt der Naturland-Betrieb Porto Muiños Bio-Algen. Wie es dazu kam, dass eine Familie ein Produkt erfand, für das es keinen Markt gab.
Wild, grün, unverbaut und wunderschön: die raue Küste Galiziens ist ein beliebtes Urlaubsparadies. Und ein echter Surfhotspot in Europa. Auch Antón und Joaquín streifen sich an diesem Montag die Neoprenanzüge über. Statt mit Surfbrettern sind die beiden jedoch mit Schnorchel, Taucherbrille, Netzen und Messern ausgestattet. Und haben es nicht auf Wellen und Strand, sondern auf rutschige Steine, schroffe Felsen und deren Bewuchs abgesehen.
Algenwälder: eine andere Welt unter dem Meeresspiegel
Antón Muiños und sein Kollege steigen ins 18°C kalte Wasser. Die beiden kennen diese Felsen, wenige Kilometer südlich der Hafenstadt A Coruña, in- und auswendig. „Ich weiß nicht, ob es unser Unternehmen heute gäbe, wenn Antón nicht schon immer so verrückt nach dem Meer gewesen wäre“, erzählt Antonio Muiños, Inhaber von Naturland-Betrieb Porto Muiños und Vater von Antón. In den 1980er und 90er Jahren produzierten und verarbeiteten er und seine Frau in ihrer Firma galizische Pilze. Doch das Geschäft lief nicht allzu gut. „Viele Menschen, die nach Galizien kommen, sind begeistert von den grünen Wäldern und satten Wiesen in Kontrast mit der Küste und dem Meer. Aber nur wenige Meter darunter befindet sich noch eine ganz andere Welt“, schwärmt Antón. Eine Welt, die er bereits als Kind mit Schnorchel und Taucherbrille erkundete, wenn er im Meer auf Schatzsuche ging. Und dort eine neue Geschäftsidee fand.
Porto Muiños machte die Algen en vogue ─ fürs Kochen und die Wissenschaft
Rund dreißig verschiedene Algensorten wachsen in diesem kleinen biodiversen Felsenpool. Antón kennt sie alle. Im Minutentakt bringt er seine Schätze an die Wasseroberfläche. Sie schimmern grün, braun, rötlich und violett. Wann immer er Luft holen kann, sprudelt sein geballtes Wissen über Nori, Wakame, Codium, Dulse, Musgo und Co. aus ihm heraus. Welche Algen man wie zubereitet, wann sie wo wachsen, wie sich die Bedingungen mit den Jahren verändert haben. Und an welchen von ihnen inzwischen nicht nur Spitzenköch:innen, sondern auch Wissenschaftler:innen interessiert sind. „Als wir in den 90er Jahren mit den Algen angefangen haben, dachten die meisten Leute, wir seien verrückt. Der Fischfang hat hier Tradition – aber Algen essen? Davon wollte erst mal niemand was wissen“ erinnert sich sein Vater. Mit der Ausdauer eines echten Visionärs und der Unterstützung der ganzen Familie brachte er die Algen aus dem Meer auf die Teller – in Galizien und darüber hinaus.
„Es ist unsere Aufgabe, die Vielfalt der Natur unter Wasser zu schützen.“
Ohne den Druck großer Investoren, dafür in enger Zusammenarbeit mit bekannten Köch:innen, hat die Familie Muiños Algen salonfähig gemacht. Dabei war von Anfang an klar: ein nachhaltiges Geschäftsmodell, dass auch künftige Generationen ernähren soll, muss umsichtig mit den natürlichen Ressourcen umgehen. Die Algen von Porto Muiños stammen ausschließlich aus zertifizierter Wildsammlung. Ihre Unterwasserwälder sind Teil eines empfindlichen Ökosystems. Antón sagt: „Wir experimentieren schon seit einigen Jahren mit Algenanbau in Aquakultur. Damit könnten wir die Algenproduktion nachhaltiger machen und bedrohte, wilde Algenwälder wieder „aufforsten“. Doch bis dahin ist es noch ein langer Weg. In der Zwischenzeit ist und bleibt es unsere Aufgabe, die Vielfalt der Natur unter Wasser zu genießen und sie zu schützen. Das bedeutet auch unter keinen Umständen mehr Algen zu ernten als nachwachsen können.“
Über den Tellerrand hinaus: Algen für eine nachhaltige Landwirtschaft
Porto Muiños ist auch an zahlreichen Forschungsprojekten beteiligt, die über die Verwendung von Algen als Lebensmittel hinausgehen. „Algen sind eine kulinarische Bereicherung und ein vielseitiges Naturprodukt, das jede Menge Vitamine und Mineralstoffe enthält. Spannend ist außerdem ihr Einsatz in der Landwirtschaft: Manche Algen können den Methanausstoß bei Rindern reduzieren. Andere können als Dünger verwendet und Pflanzen widerstandsfähiger gegen Krankheiten und Hitzestress machen“, erzählt Antonio. Bis wir das volle Potenzial der Algen verstanden haben, wird sicher noch viel Zeit vergehen. Doch dank visionärer Firmen wie Porto Muiños kann schon heute jede und jeder in der Küche mit dem gesunden Meeresgemüse experimentieren und sogar die Superfood-Qualitäten der Algen ganz einfach in den Alltag integrieren: Das Naturland-zertifizierte Bio-Meersalz von Nur Nur Natur enthält das Pulver der Kombu Alge aus Porto Muiños und versorgt somit mit einem ganz natürlichen Jodgehalt direkt von Galiziens Küste.
Steckbrief zum Betrieb
Bioanbau seit 2006
Inhaber: Antonio Muiños und Rosa María Mirás
Höhenlage: 365 m über N.N.
Durchschnittliche Niederschläge: 1228 mm
Betriebsfläche: ca. 3800 qm für die Verarbeitung, Lagerung und Trocknung der Algen
Vermarktung: Direktvermarktung über den Onlineshop, Zusammenarbeit mit Großhändlern und Verkauf an die Lebensmittelindustrie als Zutat für andere Produkte
Arbeitskräfte: 20
Erzeugnisse: verschiedenste Produkte aus oder mit Algen, darunter Tapas, Tees, Risotto, Nudeln und Salz, getrocknete Pilze
Schon gewusst?
Algen: Sauerstofflieferant und Klimaschützer
Durch Fotosynthese produzieren Algen rund die Hälfte des Sauerstoffs in unserer Atmosphäre und binden klimaschädliches CO2. Studien weisen außerdem darauf hin, dass Rinder, deren Futter die rote Makroalge Asparagopsis taxiformis beigemischt wird, deutlich weniger klimaschädliches Methan ausstoßen.
Algen im Klimawandel
Der Klimawandel hat auch Auswirkungen auf das Leben unter dem Meeresspiegel. Häufigere Stürme führen öfter zu rauer See, bei der Algen an schroffen Felsen beschädigt werden können. Außerdem kommen mit steigenden Meerestemperaturen manche Fischarten näher an die Küsten – darunter auch solche, die besonders gerne Algen fressen.
Können Algen Bio sein?
Anders als die Fischerei im Meer, ist die Sammlung von Wildalgen in der EU-Bio-Verordnung abgedeckt. Denn im Gegensatz zu Wildfisch kann bei Wildalgen kontrolliert und überwacht werden, in welcher Wasserqualität sie heranwachsen, wo wieviel geerntet wird und wie sich ihre Sammlung auf umliegende Ökosysteme auswirkt.
Fünf Naturland-Algen kurz vorgestellt
- Der grünbraun bis goldgelbe Kombu bzw. Fingertang hat eine fleischig-feste Konsistenz. Kombu verstärkt das Aroma von Speisen – egal ob fischig, fleischig oder vegetarisch – und ist ein natürliches Bindemittel für Soßen.
- Leuchtend grün ist Ulva bzw. Meersalat, ein zart-bissfester Hingucker, der gemüsig und leicht nach Sauerampfer schmeckt. Gekocht kann er zudem Saucen, Suppen und Gemüsebeilagen verfeinern.
- Meeresspaghetti bzw. Riementang schmeckt kaum nach Meer und ist damit eine perfekte Einsteigeralge. Besonders als Zugabe zu normalen Spaghetti mit einer leckeren Sauce überzeugt die braungelbe Alge sogar Algenskeptiker. Kleingeschnitten auch für Risotto geeignet.
- Die Atlantische Grünalge bzw. Codium ist samtig-schwammig in der Konsistenz. Eine meerige Zugabe zu Pasta und eine leckere Gemüsebeilage, die gut zu Burgern oder Fleisch passt.
- Die Braunalge Wakame hat einen sanften Meeresgeschmack, der an Austern erinnert. Sie kann sowohl roh im Salat, als Beilage zu Fleisch, Fisch oder Meeresfrüchten, sowie als Add-On in Omelett, Risotto oder Pasta verzehrt werden.