Rote Karte für Italiens Wasserressourcen

Woher nehmen, wenn nicht stehlen? In Zeiten der Klimakrise wird ein geregeltes Wassermanagement für die Landwirtschaft immer wichtiger. 

September | 2024
Bildrechte: © Naturland/Jeremias Lüttold

Ganze Landstriche trocknen aus und das fast vor unserer Haustüre. Inzwischen hat sich auch in Italien die Lage deutlich zugespitzt. Im Süden ist es insbesondere seit dem letzten Winter vergleichsweise zu warm und viel zu trocken. Der Aqueduct Water Risc Atlas, ein umfassendes Kartierungstool zur Bewertung globaler Wasserrisiken, kennzeichnet inzwischen große Gebiete Süditaliens rot auf der Karte der Wasserversorgung. Sizilien musste sogar den Ausnahmezustand ausrufen aufgrund der Dürre.

„In der Landwirtschaft ist Wasser einer der wesentlichen Faktoren über Gedeih und Verderb der Ernte. Wenn der Regen ausbleibt, kann fast niemand mehr auf künstliche Bewässerung verzichten hier. Auch für unsere Zitronen ist sie unerlässlich“, sagt Marco Mazzara, einer der zwei Betriebsleiter von Campisi Italia und Spezialist, wenn es um den biologischen Anbau der begehrten „Limone di Siracusa“ geht. Doch gerade in Zeiten der permanent steigenden Jahresmitteltemperaturen und sinkender Grundwasserstände ist ein möglichst bewusster und nachhaltiger Umgang mit der raren Ressource wichtig. Als größter internationaler Bio-Verband, sieht sich Naturland in der Verantwortung diese Ressourcen für zukünftige Generationen zu schützen. Ein effizienter Wassereinsatz sowie eine Dokumentation über den jährlichen Wasserverbrauch gehören für Betriebe, die Naturland zertifiziert, beispielsweise ganz selbstverständlich dazu.

 

 

Thomas Holtz von Naturland lässt sich erklären, dass es ohne ordentliche Bewässerungstechnik nicht funktioniert.
Thomas Holtz von Naturland lässt sich erklären, dass es ohne ordentliche Bewässerungstechnik nicht funktioniert.

Legales Wasser und alternative Strategien zur klassischen Bewässerung

Regionen, die in die rote oder dunkelrote Kategorie im Aqueduct Water Risc Atlas fallen, erfahren seitens Naturland eine größere Aufmerksamkeit. In solchen Regionen erstellen die landwirtschaftlichen Betriebe einen sogenannten Wassermanagement-Plan. In diesem wird festgehalten, wie die Wasserversorgung vor Ort zu Stande kommt, welche Bewässerungssysteme verwendet werden und wie der Wasserverbrauch gemessen wird. So kann daraufhin nach Lösungen gesucht werden, um Wasserdefizite besser ausgleichen zu können und dennoch nachhaltig und ökologisch zu wirtschaften.

Generell gibt es zwei Möglichkeiten, um legal auf Wasserressourcen zuzugreifen. Die erste sind genehmigte Brunnen auf dem eigenen Land, die zweite ist der Ankauf über die Kooperative, die Wasser von den Oberflächen gewinnt. Jedoch sind die rechtlichen Voraussetzungen oft schwierig und variieren stark in den unterschiedlichen Regionen. Viele der Brunnen in Italien wurden nie offiziell genehmigt. Neben der legalen Wasserzufuhr nutzen Naturland Bäuerinnen und Bauern aber zunehmend Strategien, um mit weniger Wasser auszukommen bzw. das Wasser besser im Boden zu halten.

 

In Sizilien lassen sich Zitronen inzwischen das ganze Jahr über ernten.
In Sizilien lassen sich Zitronen inzwischen das ganze Jahr über ernten.

Saftige Bio-Zitronen, der Dürre zum Trotz: Campisi Italia

Ein Naturland Betriebe, der sich inzwischen weit über die Region hinaus einen Namen gemacht hat, ist der um die Familie Campisi. Angesiedelt in Syracus bauen die Campisis Südfrüchte an. Allen voran die begehrte „Limone di Siracusa“. Begehrt ist im Handel nicht nur die ganze Frucht, sondern auch ihr vitaminreicher Saft und die ätherischen Öle, die beispielsweise für Parfums verwendet werden. Durch die warmen und trockenen Winter werden die Zitronen bei Campisi inzwischen ganzjährig geerntet. Als Bewässerungstechnik greift der Betrieb gerne auf den zweiarmigen „Baffo“ – also Schnurrbart auf deutsch – zurück. Der Baffo ist das Endstück einer Tröpfelanlage, die im Gegenteil zu den Sprenkelanlagen das Wasser sehr viel gezielter platzieren und somit wassersparender ist. „Die Vorteile dieses Bewässerungssystems sind, dass Wasser etwas links und rechts neben dem Stamm ausgebracht wird, was zu einem breiteren Wurzelwachstum anregt. So können die Wurzeln mehr Oberflächenwasser und Nährstoffe aufnehmen“, erklärt Marco Mazzara. Durch die leicht erhöhte Anbringung kann der Boden direkt neben den Bäumen gut bearbeitet werden, sodass diese nicht mit anderen Pflanzen in Konkurrenz um das spärliche Wasser treten müssen. So hilft der Baffo beim Wassersparen gleich doppelt. Drum herum bleiben die biologischen Obstgärten aber grün – das sorgt für eine bessere Bodenstruktur, schützt vor Erosion und fördert die Artenvielfalt.

 

Saubohnen als Mulch für eine gute Bodenfeuchtigkeit.
Saubohnen als Mulch für eine gute Bodenfeuchtigkeit.

Unterirdisch sind hier nur die Leitungen: Bio-Orangen von Carpe Naturam

Einige der in Kalabrien angesiedelten Naturland Betriebe benutzen gerne eine andere Variante der Tropfbewässerung. Die Bewässerungsleitungen beispielsweise für die noch jungen Orangenbäume verlaufen hier unter der Erde. Auch dieses System bringt Vorteile mit sich, denn zum einen stören die Leitungen nicht bei der Arbeit, zum anderen ermöglicht diese Methode die Richtung und Ausbreitung des Wurzelwachstums besonders gut zu beeinflussen, denn Wurzeln wachsen immer hin zum Wasser. Ein Nachteil ist allerdings, dass Mängel nicht sofort entdeckt werden können. „Wenn man also Pech hat, hat man einen Fehler in der Leitung und schwupp, plötzlich sind die Bäumchen tot, weil sie, ohne, dass es jemand bemerkt hat, seit Wochen nicht mit Wasser versorgt wurden. Um bösen Überraschungen vorzubeugen, müssen die Systeme regelmäßig geprüft werden“, erklärt Thomas Holtz, Betreuer für die italienischen Landwirte bei Naturland. „Insgesamt gibt es viele verschiedene Methoden zur Bewässerung und jeder Betrieb, jede Pflanze und jeder Boden hat seine eigenen Ansprüche.“ Auch bei Carpe Naturam werden aber Überlegungen angestellt, wie Wasser und Nährstoffe im Boden trotz Trockenheit gehalten werden können. Die Pflanzung der jungen Orangenbäume wird beispielsweise mit Saubohnen ergänzt. Die Leguminosen dienen als feuchtigkeitsspeichernder Mulch und sie bereichern den Boden mit wertvollen Nährstoffen. Bei einer weiteren Plantage ganz in der Nähe treten häufig warme Fallwinde auf. Um die Zitrusbäume davor zu schützen, werden sie entsprechend der Windrichtung von robusteren Olivenbaumreihen gesäumt.

Auch wenn die Arbeit mit den bürokratischen Hürden und gegen die zunehmende Dürre mühsam ist, der Versuch, die Wasserentnahme in Süditalien in ein geregeltes Rechtssystem einzugliedern und insbesondere die gemeinsame Suche nach ressourcenschonenden, individuellen Methoden, sind ein Anfang, um einer Problematik zu begegnen, die uns in den kommenden Jahren in immer mehr Regionen dieser Erde vor viele Herausforderungen stellen wird. Wir werden weiter entwickeln und weitersuchen, denn die Mühe lohnt sich!

Die robusteren Olivenbäume dienen als Schutz vor warmen Fallwinden für die Zitrusbäume.
Die robusteren Olivenbäume dienen als Schutz vor warmen Fallwinden für die Zitrusbäume.

Steckbrief zu Campisi Italia

Bioanbau seit 2000
Naturland zertifiziert seit 2010

Inhaber: Sergio Mazzara und Marco Mazzara
Höhenlage: 53 m über N.N.
Durchschnittliche Niederschläge: 550 mm/Jahr
Betriebsfläche: ca. 166 ha
Vermarktung: Coop Italia, Edeka, Rewe, Spar Austria, Coop Suisse, Lidl, Migros, Tesco, Sansbury's, Asda
Arbeitskräfte: 60 Saisonarbeitskräfte
Erzeugnisse: Zitronen, Avocados, Limetten

 

Mehr zum Thema Wassermanagement bei Naturland gibt es hier.

Unterschiedliche Bewässerungsarten

Mobile Beregnungsmaschinen

Vorteile: Flexibler Einsatz auf unterschiedlichen Feldern

Nachteile: Hoher Energieaufwand, schlechte Wasserverteilung bei Wind, häufig werden Randzonen der Felder mitberegnet und somit kostbares Wasser vergeudet

Großflächenbewässerung

Vorteil: weniger Energieaufwand als bei den mobilen Beregnungsmaschinen, weniger Verwehung des Wassers

Nachteil: weniger flexibel, nur für große Flächen geeignet

Sprinklerberegnung

Vorteil: Relativ gleichmäßige Beregnung bei verhältnismäßig kleinem Energiebedarf

Nachteil: Initial relativ hohe Kosten und hoher Arbeitsaufwand

Tropfbewässerung (überirdisch und unterirdisch)

Vorteil: Sehr gezielter Wassereinsatz, weniger Energieaufwand, da weniger Druck nötig ist. Blätter und Fruchtstände können ausgespart werden und somit Pilzerkrankungen umgangen werden.

Nachteil: Initial relativ hohe Kosten und hoher Arbeitsaufwand