Dialogforum Mangroven & Nachhaltige Aquakultur
Aktuelles von Naturland
Aktualisiert am 16.11.2021 - Die Mangrovenwälder der tropischen Küsten gehören zu den wichtigsten und produktivsten Ökosystemen unserer Erde. Allerdings sind sie unter anderem bedroht durch die immer stärkere Ausbreitung von Aquakulturanlagen zur Zucht von Garnelen, um die hohe Nachfrage der nördlichen Industrieländer nach dieser Delikatesse zu bedienen.
Wie können wir in Europa dazu beitragen, die Produktionsbedingungen der Garnelen in den Herkunftsländern ökologischer, biodiversitätsfreundlicher und sozial nachhaltiger zu machen? Darum sollte es am 23. November beim „Dialogforum Mangroven und Nachhaltige Aquakultur“ gehen. Aufgrund der sich aktuell verschärfenden Corona-Situation muss das als Präsenzveranstaltung geplante Dialogforum nun leider kurzfristig abgesagt werden. Ein neuer Termin wird gesucht.
Das Dialogforum, das zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden wird und sich an Vertreter:innen aus Lebensmittelhandel, Import, Verarbeitung und Zertifizierung richtet, ist Teil des vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung geförderten Projekts „Sustainable Aquaculture in Mangrove Ecosystems (SAIME)“. Koordiniert wird SAIME vom Global Nature Fund (GNF). Naturland bringt als Projektpartner die fachliche Expertise des Verbands als Pionier der ökologischen Aquakultur ein. Einer der Keynote-Speaker beim Dialogforum wird Naturland Aquakulturexperte Dr. Stefan Holler sein, der das SAIME-Projekt bei Naturland betreut. Im Interview erzählt er, wie Naturland sich seit den 1990er Jahren für den Erhalt und die Wiederherstellung von Mangrovenwäldern in der Garnelenzucht einsetzt.
Frage: Welche Bedeutung haben Mangrovenwälder für Klima und Artenschutz?
Holler: Mangrovenwälder sind ein komplexes Ökosystem mit großer Bedeutung für die Artenvielfalt, den Küstenschutz und das Klima in vielen tropischen und subtropischen Regionen. Mit ihrem im Wasser verzweigten Wurzelgeflecht bieten die Mangroven Lebensraum für eine reiche Tier- und Pflanzenwelt, zum Beispiel als Kinderstube für viele Fische, Krebstiere und andere aquatische Organismen. Zugleich dienen ihre Wurzeln dem Rückhalt von Sediment und schützen so die Küsten vor Erosion. Durch diesen Schutz können die Küsten auch Stürmen und Zyklonen weitaus besser standhalten. Und nicht zuletzt gehören Mangroven zu den produktivsten Kohlenstoffsenken der Welt, tragen also erheblich zum Klimaschutz bei.
Frage: Welche Folgen hat die große Nachfrage nach Shrimps und Garnelen für den Bestand der Mangroven?
Holler: Die massive Ausweitung von Aquakulturanlagen für die Garnelenzucht war einer der Hauptgründe für die Abholzung von Mangrovenwäldern in den vergangenen Jahrzehnten. Allein seit 1980 sind rund 20 Prozent der weltweiten Mangrovenwälder durch Abholzung verloren gegangen.
Frage: Naturland hat ab Mitte der 1990er Jahre begonnen, erste Richtlinien für die ökologische Aquakultur zu entwickeln. Welche Rolle hat dabei der Mangrovenschutz gespielt?
Holler: Bei der Garnelenzucht, die ja in küstennahen Teichanlagen stattfindet, war der Mangrovenschutz von Anfang an ganz zentral. Die Naturland Richtlinien verbieten grundsätzlich, Mangroven zum Bau oder zur Erweiterung von Garnelenfarmen abzuholzen oder zu beschädigen. Wenn ein bereits bestehender Betrieb, der in ehemaligem Mangrovengebiet liegt, Mitglied bei Naturland werden will, geht das nur, wenn die ehemalige Mangrovenfläche weniger als die Hälfte der gesamten Fläche des Betriebes ausmacht. Außerdem muss diese ehemalige Mangrovenfläche mindestens zur Hälfte wieder aufgeforstet werden – und zwar über einen Zeitraum von maximal fünf Jahren. Zudem gibt es eine Stichtagsregelung, die neue Rodungen verhindern soll.
Frage: Ist die Garnelenzucht überall auf der Welt ähnlich oder gibt es signifikante Unterschiede?
Holler: Es gibt im Prinzip zwei unterschiedliche Systeme. In Lateinamerika, wo Naturland Betriebe in Honduras, Peru und Ecuador zertifiziert sind, ist die Produktion meist etwas intensiver. Dort sind Garnelenteiche und Mangrovenflächen räumlich voneinander getrennt. In Südostasien dagegen dominiert die extensive Mangroven-Aquakultur. Dabei werden die Garnelen mit sehr geringen Besatzdichten und ohne zusätzliche Fütterung erzeugt – und zwar in gemischten Garnelen-Mangroven-Anbausystemen, bei denen die Teiche nach Naturland Richtlinien mindestens zur Hälfte mit Mangroven bedeckt sein müssen. Diese extensive Mangroven-Aquakultur praktizieren Naturland Betriebe in Vietnam, Indien, Bangladesch und Indonesien.
Frage: Welche Aufgabe hat Naturland im SAIME-Projekt?
Holler: Ein wesentliches Ziel des Projektes ist die Etablierung einer nachhaltige Garnelenaquakultur im Einklang mit dem Schutz von Mangrovenwäldern. Das Projektgebiet liegt im indischen Bundesstaat Westbengalen und in Bangladesch, es geht also um eine eher extensive Produktion. Naturland ist dabei in erster Linie für den wissenschaftlich-fachlichen Input zur Aquakultur zuständig, etwa durch die Schulung lokaler Projektträger oder die Anleitung externer Kooperationspartner im Bereich Kapazitätsaufbau. Auch die Entwicklung eines „Biodiversity Action Plans“ ist Teil des Projekts. Und nicht zuletzt geht es um eine Sensibilisierung der Öffentlichkeit und den Aufbau eines dauerhaften Nord-Süd- sowie Süd-Süd-Dialogs zwischen diversen Akteuren im Garnelen-Sektor.
Mehr Informationen zum SAIME-Projekt finden Sie hier.