Traditionelle indische Gewürze aus Gewürzgärten sind hochdiversifizierte Agroforstsysteme, in denen die verschiedenen Pflanzen voneinander profitieren. In Zeiten des Klimawandels sichern sie den Bauern das Überleben.
Routiniert führt Prakash Rao die Besucher durch seine Pflanzung. Erklärt hier den medizinischen Nutzen einer indischen Gewürz-Wurzel und pflückt dort ein Blatt, um seine Besucher dessen scharfen Geruch testen zu lassen, der sofort die Nase freimacht. Über 100 Gewürze, Früchte, medizinische Kräuter und andere Nutzpflanzen wachsen auf diesem gerade einmal zwei Hektar großen Stückchen Land scheinbar wild durcheinander. Doch tatsächlich baut der 60jährige sie nach einer ausgeklügelten Methode an. „Die eine Art gibt mit ihren Blättern einer anderen genau den richtigen Dünger. Manche spenden die exakt richtige Form von Schatten. Oder sie dienen als Klettergerüst - so wie die Zimtbäume dem Pfeffer. Keine Pflanze steht hier zufällig an ihrem Platz, jede erfüllt eine Funktion“ erklärt der Bauer.
Die Idee zu dieser ausgeklügelten Anbauweise kam Prakash Rao, als er vor gut 20 Jahren sah, wie die Nachbarn Bäume fällten und kurz darauf Probleme bekamen. „Auf ihrem Land wurde es heißer, die Erde vertrocknete und die Erträge sanken.
Als ich das sah, fasste ich einen Entschluss: Keine Bäume fällen, sondern so viele wie möglich pflanzen.“ Doch gleichzeitig muss das Stückchen Land eine vier Generationen umfassende Familie ernähren. Wie kann das beides zusammen gehen? Die Antwort: Ein Gewürzgarten mit einem traditionellen Agroforstsystem. Im Bundesstaat Kerala gibt es das seit Jahrhunderten, doch in Prakash Raos Heimat Karnataka ist diese Anbauweise weitgehend unbekannt.
Prakash Rao begann damit Bäume zu pflanzen, die jeder für sich gewinnbringend sind: Betel- und Kokosnuss, Mango und Acaju, Zimt und Jackfruit. Gleichzeitig experimentierte er, welche Pflanzen gut dazwischen passen und beobachtete, was im Zusammenspiel der verschiedenen Arten passiert. Seine wichtigste Erkenntnis: Mit jeder weiteren Art verbessert sich der Boden.
"Es fällt ganz unterschiedliches Laub auf die Erde und bildet dort über die Jahre eine sehr diverse, dicke Humusschicht. Das macht den Boden fruchtbar und schützt ihn vor dem Austrocknen. Ich muss weder düngen, noch bewässern. Beides regelt die Natur ganz von alleine."
Während die Bauern rund herum mit den längeren und heißeren Trockenperioden kämpfen, kann Prakash Rao nicht klagen. Unter den vielen Bäumen und zwischen dem satten Grün ist es deutlich kühler als auf den angrenzenden offenen Feldern. Und nicht nur das. „Die Vielfalt beschert mir ein sicheres Einkommen, denn es gibt immer etwas, was ich ernten kann.“
Seit einigen Jahren ist Prakash Rao Farm auch biozertifiziert. „Das hat für mich viele Vorteile. Ich habe Zugang zu interessanten Märkten wie dem von Naturland und dank des Premiumpreises für meine Bioprodukte ein besseres Einkommen. Ich sehe die Zertifizierung aber vor allem als Auszeichnung, die mich in meiner Arbeit bestätigt.“
Wurde Prakash Rao für seinen Sonderweg früher noch von den Nachbarn belächelt, ist er heute ein gefragter und hochrespektierter Mann. Aus der ganzen Umgebung kommen Bauern um von ihm zu lernen. Einige haben sein System komplett übernommen, hunderte wenden zumindest einzelne Elemente an. Während die Besucher fast andächtig seinen Ausführungen über das Zusammenspiel der Pflanzen lauschen, bleibt Prakash Rao bescheiden. „Ich lerne noch immer dazu“ meint er. „Ich verstehe zwar jedes Jahr mehr, aber ich werde niemals alle Geheimnisse der Natur ergründen können.“